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Zusammenfassung

In einem Verfahren von etwa zehn Minuten stellt das Gericht das Bußgeldverfahren wegen eines Verkehrsstreits gegen einen jungen Mann ein. In dem Streit hatte die Gegenpartei, ein Polizist in Zivil, seine Befugnisse missbraucht.

Kommentar

Dies war ein seltener Fall, in dem polizeilicher Machtmissbrauch offen thematisiert wurde und die beschuldigte Person ein günstigeres Ergebnis erzielen konnte. Trotzdem zeigt der Fall Ungerechtigkeiten. Der Betroffene sollte zunächst ein Bußgeld wegen Fehlverhaltens im Straßenverkehr zahlen. Dagegen erhob er Einspruch, was aufgrund der prozessualen Hürden nur wenige tun. Im Prozess wird deutlich, wie Polizei und Gerichte gemeinsam das Ziel der Bestrafung verfolgen und wie das System so gestaltet ist, dass polizeiliches Fehlverhalten kaum aufgearbeitet wird. Das Verfahren war sehr kurz und der Polizeibeamte wurde nicht vor Gericht geladen. Zwar wies das Gericht den Fall ab, doch ohne die Fakten im Detail zu erörtern oder den Polizisten für den Machtmissbrauch zur Einschüchterung des Mannes zur Verantwortung zu ziehen. Auf diese Weise bleibt polizeiliches Fehlverhalten verborgen und wird toleriert, anstatt systematisch aufgearbeitet zu werden. Das bestmögliche Ergebnis, eine Einstellung des Verfahrens, ist für den Angeklagten, der wahrscheinlich unter Stress und anderen Folgen des Verfahrens zu leiden hatte, dennoch nicht ideal.

Bericht

In diesem Fall handelte es sich um einen Verkehrsstreit, bei dem der Betroffene nach eigener Aussage Vorfahrt beim Abbiegen hatte. Ein anderes Fahrzeug behinderte ihn jedoch, und die beiden Fahrer gerieten darüber in Streit. Während des Gesprächs offenbarte der in zivil gekleidete Fahrer dem Betroffenen, er sei Polizist und verlangte seine Personalien. Der Betroffene zögerte und entgegnete, er glaube nicht, dass die Person Polizist ist. Dennoch nannte er diesem schließlich seinen Namen und sein Geburtsdatum. Der Polizist rief weitere Polizeibeamte hinzu, die wenig später vor Ort offiziell die Personalien des Mannes aufnahmen. Der Betroffene erhielt schließlich ein Bußgeld, wogegen er Widerspruch einlegte. Der Richter erachtete das Verhalten des Polizisten als rechtswidrig und stellte das Verfahren ein.

Fälle aus unserem Archiv

Fall 23

Eine Frau kommt für eine medizinische Behandlung nach Deutschland. Ihre Familie sammelt mehrere tausend Euro, damit sie die Kosten vorab bezahlen und dadurch ein Visum erhalten kann. Eine deutsche Behörde beschuldigt sie der Ausweisfälschung. Obwohl die Staatsanwaltschaft einräumt, dass der Angeklagten keine Täuschungsabsicht nachzuweisen ist und einen Freispruch fordert, verurteilt das Gericht sie zu einer hohen Geldstrafe und setzt somit ihren Aufenthalt in Deutschland und ihre Gesundheit aufs Spiel.

Strafe als Grenzmechanismus
Geldstrafe
Betrug

Fall 22

Ein Mann wird monatelang in U-Haft gehalten und für den Verkauf von Cannabis zu einer Geldstrafe von mehreren tausend Euro verurteilt. Obwohl zum Zeitpunkt der Verhandlung Cannabiskonsum und zum Teil auch -besitz und -handel kurz vor der Legalisierung bzw. Entkriminalisierung stehen, verurteilt das Gericht das Vorgehen des Angeklagten scharf. Der Staatsanwalt bezeichnet dieses als „extrem verwerflich“.

Strafe als Grenzmechanismus
Geldstrafe
Verstoß gegen BtMG

Fall 21

Das Gericht übt Druck auf einen Mann aus, seine Berufung gegen eine Verurteilung wegen Widerstands und Angriffs auf Vollstreckungsbeamte zurückzuziehen. Obwohl das Verfahren den Mann sichtlich belastet, scheint der Richter nicht an seinen Schilderungen des Vorfalls interessiert zu sein. Dass es in dem Verfahren keine Entlastung für den Mann geben wird, wirkt sowohl seitens des Gerichts als auch seiner Verteidigung bereits vorherbestimmt.

Rassistisches Polizieren
Sonstige
Körperverletzung
Sonstige

Fall 20

Drei junge Männer werden wegen Diebstahls vom Schnellgericht vorgeladen. Da das Gericht für einen von ihnen keine*n Dolmetscher*in geladen hat, wird er nicht angehört. Stattdessen erhält er per Post einen Strafbefehl. Die beiden anderen Personen werden nach einer kurzen Anhörung zu je 600 € Geldstrafe verurteilt.

Strafe als Grenzmechanismus
Geldstrafe
Diebstahl

Perspektiven

Collage of: politicians holding report, police, and an arrow/graph.

Die polizeiliche Kriminalstatistik ist als Instrument zur Bewertung der Sicherheitslage ungeeignet

Justice Collective, Grundrechtekomitee und 40 weitere

Wissenschaftler*innen und Mitglieder der Zivilgesellschaft warnen vor der politisierten Nutzung der polizeilichen Kriminalitätsstatistik, die jedes Jahr dafür genutzt wird, falsche Narrative über steigende Kriminalität und vermeintlich „kriminelle Migrant*innen“ zu verbreiten. Die Unterzeichnenden stellen das durch das BKA und die Medien gezeichnete statistische Bild entschieden in Frage und betonen, dass die PKS zur Polarisierung der Gesellschaft und Stigmatisierung bestimmter Bevölkerungsgruppen beiträgt.

Rassistisches Polizieren
Picture of Berlin criminal court.

Rassimus vor Gericht dokumentieren: Interview mit Justizwatch

Justizwatch

Ein Interview mit Justizwatch über ihre Arbeit zur Dokumentation von Rassismus vor Gericht in Berlin.

Rassistisches Polizieren
image Solidarity is a Weapon, KOP

Solidarische Interventionen in rassistische Gewaltsysteme: Polizieren, Strafjustiz und (Massen-) Kriminalisierung

Kampagne für Opfer rassistischer Polizeigewalt (KOP)

Die Verschärfung staatlicher Repression, Marginalisierung und Militarisierung führt gegenwärtig zu einer Zunahme der Polizeigewalt, zu einer steigenden Zahl von Verhaftungen wegen Armutsdelikten und zur brutalen (strafrechtlichen) Disziplinierung „innerer Feinde“. In dieser Situation erscheint es dringend notwendig, darüber nachzudenken, wie wir den Kampf gegen rassistische Polizeigewalt und staatlichen Rassismus enger mit anderen Kämpfen verknüpfen können, um Entmenschlichung, Ausbeutung und weit verbreitete staatliche Gewalt endlich abzuschaffen.

Rassistisches Polizieren